Aus- und Einsteigen

Kurz nach ihrem zwanzigsten Geburtstag wollte Susi ihre Schulfreundin vor dem Schicksal retten, in einen Mann aus Senegal verliebt zu sein und diesen nun auch heiraten zu wollen.

Statt Französisch für die Weiterbildung als Sekundarlehrerin zu büffeln, hatte Ursula in Paris den Mann für’s Leben gefunden. Das schrieb sie wenigstens und schickte zum Beweis ein Bild eines tatsächlich sehr gut aussehenden, grossen schwarzen Mannes namens Bob.

So gab es für Susi nichts anderes, als die Zugsverbindungen zu studieren, damit sie noch in den Frühlingsferien, die bald begannen, in die Stadt der Liebe reisen konnte.

Ihrer älteren und bereits verheirateten Schwester musste sie versprechen, diesmal wirklich bis ans Ziel zu fahren und dann dort auch auszusteigen.

Dies, weil sie in den Herbstferien ebenfalls mit der Eisenbahn nach Florenz fahren wollte, um dort mit zwei Kolleginnen einige Tage zu verbringen, dann aber spontan beschloss, lieber allein und weiter nach Rom zu reisen.

Später behauptete sie, verschlafen zu haben.

In Rom, wo es ihr sehr gut gefiel, verliebte sie sich schon am ersten Abend „auf unverständlich unglückliche Weise“ wie die Familie meinte, in einen römischen Berufssoldaten, obwohl sie das Schweizer Militär immer als „unnötige Katastrophe“ bewertet hatte.

Die Reisende selbst fand diese Woche und ihre Abenteuer in Rom das Wundervollste, das sie je mit einem Zug entdeckt hatte; doch kam auch sie zum Schluss, dass diese Ferienliebe nicht von Dauer sein konnte.

Sie versicherte also, dass sie diesmal nur ihre Mission, eine unüberlegte Heirat zu verhindern, erfüllen wolle.

In Paris angekommen, stellte ihr Ursula bald drei Schweizer Lehrer aus dem Kantons Zürich vor, die ebenfalls die Weiterbildung in Französisch machten.

Man traf sich wieder und fand sich sympathisch.

Auch Bob, der schwarze Freund, war immer dabei.

Und allmählich wurde aus der einstigen Mission eine Vision, nämlich die, dass Ursula mit Bob eine gute Wahl getroffen hatte.

 

Nach rund einer Woche reiste Susi in Paris wieder ab und war neugierig, ob sie die drei Zürcher, wie verabredet, im langen Zugsgebilde wieder antreffen würde.

Sie nahm im zweiten Wagon Platz und versteckte sich hinter einer Zeitung, denn schliesslich lag es an den Männern, sie zu suchen und zu finden, wenn sie denn wollten.

Tatsächlich ging es nicht lange, standen die drei vor ihr, nahmen Platz und witzelten um die Wette. Jeder wollte der Schlauere sein. Deshalb meinte Susi, sie würde im Speisewagen etwas Kleines essen gehen und schaute dabei Hans ermunternd an. Doch dieser liess seine beiden Kollegen vorangehen und blieb sitzen.

Das fand sie eigenartig und enttäuschte sie auch ein wenig.

Die Sprüche der beiden Kollegen waren ihr bald mal verleidet und sie schlug – nach dem Verzehr eines gefüllten Brioches und zwei Tassen Kaffees vor –  wieder ins Abteil zurück zu gehen.

Ihr war plötzlich klargeworden, dass es Hans war, der sie interessierte und die beiden andern eher dabei störten.

Die Zugskonstellation, wie sie auch später immer wieder betonte, habe ihr die schnelle Auswahl erleichtert.

Es sei dann später nicht immer so einfach gewesen.

Nebenbei erzählt sind Susi und Hans sowie auch Ursula und Bob nach vielen Jahren auch heute noch ein Paar und es wäre an der Zeit, wieder mal zusammen mit dem Zug nach Paris zu fahren. Einfach so.

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