Jeden Dienstag betreuen mein Mann und ich unsere beiden Enkelbuben, Valentin, dreijährig und Lionel, bald zweijährig, in Küsnacht am See.
Unsere Tochter rät uns, nach dem Mittagsschlaf der beiden um 15 Uhr mal das Familienzentrum zu besuchen. Denn diesen Dienstag findet dort ein „Spielen mit Reimen“ für Kleinkinder mit ihren Eltern, Grosseltern – oder wer auch immer die Kleinen begleitet – statt.
Im vierten Stock betreten wir einen Raum, in dem schon viele kleine und grosse Gäste in Socken oder Strumpfhosen warten und plaudern. Wir ziehen also unsere Schuhe aus und setzen uns erwartungsvoll in einem angrenzenden Zimmer auf kleine Hocker und Minibänke, um den Liedern, Reimspielen und Gitarrenklängen einer zierlichen älteren Frau zu lauschen.
Mit einfachen Spielsachen, heiteren Melodien und bekannten aber längst vergessenen Sprüchen entführt sie uns in die gute alte Zeit.
Endlich wieder einmal ohne Plastikspielsachen, Autos, die sprechen, Kassen mit Fliessband und Summtönen oder Bilderbüchern, die sich per Stift und Klick selbst erzählen und ständig belehren, wo was zu drücken ist, damit weitere Erklärungen folgen.
In die stille Runde von etwa 15 Kleinkindern und neun Erwachsenen plätschern die Reime von Fuchs und Hase, dem schüchternen Igel und unseren eigenen zehn Fingern wie sprudelnde Bäche, berieseln unsere Phantasie, wecken Erinnerungen und lassen nicht nur die Kinderaugen immer grösser werden.
Valentin – sonst eher schüchtern in Kindergesellschaft – taut sichtlich und hörbar auf, und sein kleiner Bruder Lionel ruft nach dem dritten Versli lautstark und immer wieder: „Nomol“.
Das freut die Erzählerin und gern wiederholt sie ihren Liedervers.
Am Schluss gibt sie uns ein Blatt mit, da sind alle Reime gedruckt. So können wir zuhause weitersingen und spielen.
Anschliessend dürfen alle, die Lust haben, im grossen Raum Zvieri essen oder weiterspielen: Sich verkleiden mit Tüchern, Gewändern und allerlei Indianer- Zauber und Prinzessinnen -Utensilien, drei Körbe voll. Auf Holzautos sitzen oder kleine Autos herumsausen lassen, die Leiter des grossen roten Feuerwehrvehikels drehen und ausfahren. Klavier spielen oder es wenigstens versuchen. Etwas verkaufen, abwägen oder auswählen. Kochen, wenn auch nur angedeutet, Doktor spielen oder aus einer Fülle von Bilderbüchern eines anschauen.
Die Kinder finden sich allmählich in kleinen Gruppen, unterhalten sich in Mundart, Schriftsprache oder mit Hand und Fuss.
Dann setzen sich auch einzelne Erwachsene zueinander und trinken einen Kaffee. Der einzige Vater wagt sich ebenfalls hinter dem Handy hervor, spricht ein Gemisch von Englisch und Kinderdialekt, denn sein Sohn redet nur Züridütsch.
Die einzige Oma ausser mir lächelt uns zu und scheint sich ebenfalls zu freuen, dass unsere Enkel so aktiv und glücklich sind.
Diskret und freundlich steht die modisch schick gekleidete Leiterin bereit, wenn Fragen auftauchen.
Probleme gibt es an diesem Nachmittag keine.
Alle vergnügen sich auf ihre Art und stören dabei die andern nicht, denn ausser Fotografieren und ausserhalb der Zvieriecke essen und trinken ist alles erlaubt, was niemandem weh tut.
Dreimal versuchen wir, unsere Buben für den Heimweg zu begeistern, denn zuhause wartet doch schon die Mama.
Schliesslich muss uns diese abholen, und auch sie hat einen schweren Stand, ihre Jungs aus dem Familienzentrum zu locken.
Bis schliesslich um 17 Uhr auch die letzten Gäste ihre Schuhe suchen, sich bedanken und zufrieden nachhause trotten.
Obwohl ich meinen Jungs schon zu Beginn eingetrichtert habe, sie dürften nichts von all den Herrlichkeiten mit nachhause nehmen – dies aus Erfahrung- muss mich die Leiterin beim Adieusagen diskret daran erinnern, dass ich noch eine Indianerkette mit Haifischzähnen um den Hals tragen würde.
Offensichtlich bin auch ich ganz im Spielzauber gefangen.
Für uns alle wurde das Familienzentrum zwei lange schöne Stunden lang zum Paradies.
Und dies ohne Reservation, Eintrittsgeld oder Eingangskontrolle.
Einfach so.
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