Vergessen Sie, was Sie über die typischen Tessiner Grotti wissen, diese verwunschenen Rustici, abgelegen, irgendwo auf der Höhe oder unerwartet im hintersten Winkel des Tals. So diskret angeschrieben, dass Sie vor der ganzen Familie oder Gesellschaft stolz verkünden dürfen: „Und so etwas wunderbar Verborgenes habe ich gefunden“!
In der abgeschiedenen Kühle einer schattenspendenden Pergola sitzen Sie mit Ihren Lieben am Granittisch, der sich allmählich mit Wurstwaren, Käse, dunklem Brot und einigen Boccalini Merlot füllt.
Ganz anders im Grotto Baldoria in Ascona.
Mitten an der Piazza gut sichtbar zwei üppige Ölbilder und Wegweiser, die durch ein verwinkeltes Gässchen zum Vicolo S. Omobono führen, wo wir dann vor einem in Terracotta- Farbe gestrichenen Häuschen stehen, welches einen grossen überdeckten Garten aufweist, aufgefüllt mit eng beieinander stehenden Tischen, Bänken und Stühlen aus Holz.
Und mitten drin warten bereits unsere Freunde, die mit ihrer überraschenden Reservation arrangierten, was wir in dreissig Jahren Ferienpausen in Ascona nie gewagt haben, nämlich hier unter weiteren geschätzten 200 Gästen zu tafeln.
Nun aber sind wir da, sitzen schon jetzt zu sechst recht eng zusammen am Tisch, obwohl noch zwei Männer fehlen.
Rundum warten die Touristen und auch einige Einheimische zuversichtlich und seelenruhig, obwohl niemand Bestellungen entgegennimmt, keine Speisekarte aufliegt und auf keiner Tafel angeschrieben ist, was es hier für Spezialitäten gibt.
Als endlich doch eine Kellnerin erscheint, melden wir sofort, dass noch zwei weitere kommen werden, wir aber trotzdem schon etwas Kleines bestellen möchten.
Sie lacht nur und fragt, ob wir auch etwas trinken wollen.
Dann bringt sie uns Teller, Besteck und Servietten, und plötzlich landet eine Holzplatte mit Salami und Mortadella am Stück auf dem Tisch, und etwas später ein Körbchen mit Brot.
Wir finden, dies passe sehr gut zum Merlot, aber auch zum Bier oder der Gazosa der beiden Kinder und bestimmen unseren Chef, der für alle Fleisch säbelt. Vor allem die sehr fettige Salami ist begehrt.
Dann folgt ein Teller Salat „Cicoria e Pomodori“ und ein „Carpaggio Moresco“und spätestens bei der Pasta ist uns klar.
Wir sitzen hier wie alle andern auch an einem „Tischchen deck dich“.
Zur nachfolgenden Polenta mit Carne müssen wir weiteren Merlot ordern.
Denn mittlerweile sind alle Vorsätze wie „nicht so viel Essen und weniger Alkoho“l vergessen. Es ist wie früher im Lager, wo man einfach genoss, was auf den Tisch kam, Hauptsache, man wurde satt und es schmeckte, die Stimmung war heiter und eingebettet in eine gute Gesellschaft.
Zu den Käsestücken im Grossformat, den „Formaggi Vallerani“ gibt’s nochmals Bier, aber dann legen die beiden Buben ihre Jasskarten beiseite, um der „Torta“ Platz zu machen, und ein Blechkuchen liegt auf unserem Tisch.
Wir bestellen Espresssi und erhalten gleichzeitig mehrere Schnapsflaschen: Grappa, Nocino und Limoncello.
Gleichzeitig verlieren der Schwiegersohn meiner Schwester und ich ein wenig die
Übersicht und gewinnen mit unserer immer lauter werdenden guten Laune die Oberhand.
Aber auch die andern fühlen sich wunderbar.
Leider aber unvermeidlich muss ich dann doch einmal die Toilette suchen, es gibt nur eine pro Geschlecht, aber sie ist frei und erstaunlich sauber.
Gleich daneben entdecke ich auch die Küche – nicht grösser als meine – aus der für geschätzte 200 Gäste all diese Köstlichkeiten getragen werden.
Kaum zu glauben auch die Rechnung für sechs Erwachsene und zwei Kinder: Alles zusammen – niemand kann und will ergründen, wie sich diese Summe zusammensetzt – samt Trinkgeld 200 Franken.
„Oder möchten Sie, dass ich den Schreibblock hole und genau rechne, brauchen Sie gar eine Quittung“? scherzt die Kellnerin.
Nein natürlich nicht. Im Gegenteil. Wir legen noch eine Note drauf.
Trotzdem reservieren wir in den nächsten Tagen nicht mehr im Grotto Baldoria, denn auch das Frühstücksbuffet im Hotel Tamaro ist einzigartig.
Doch in unserem Geiste haben wir schon die nächsten Opfer bestimmt, die wir in einigen Wochen mit dem Grottofieber anstecken möchten.
Kennen Sie ebenfalls eine empfehlenswertes Grotto?
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