Von Parfumwolken und Duftbrunnen

Es hat lange gedauert, bis ich meinem Mann glaubte, ich würde zu viel Parfum verwenden. Spätestens aber, als ein Arzt im Wartezimmer statt meinen Namen zu erwähnen, in meine Richtung guckte und fröhlich rief: „Und nun kommt „Angel“ dran“,  gönnte ich mir jeweils nur noch die berühmte Fingerspitze oder einen Tropfen davon, an die Schläfen oder Handgelenke getupft.

Aber kürzlich hatte ich einen Rückfall.

Denn ich schnappte mir eine Drogerie-Zeitschrift mit einem integrierten Gratismuster von 4711, dem uralten und bekannten Kölnisch Wasser, das offensichtlich neu und blumig etikettiert worden ist, wie ich lesen konnte.

Vielleicht war es die Erinnerung an meinen Vater, der jeweils nach der Rasur und vor einer Sitzung oder Männerchorprobe nach dem viereckigen Flacon griff und dann grosszügig eine Handvoll Kölnisch Wasser über seine Frisur und das Gesicht schüttete, was das Badezimmer für einige Stunden intensiv duften liess.

Jedenfalls strich ich mir anschliessend – im Strassenkaffee sitzend – ebenso den ganzen Inhalt des Musters an die bekannten Orte.

Über die Auswirkung war nicht nur ich, sondern zeigten sich auch die benachbarten Gäste und der Kellner erstaunt, und mir blieb nur noch, alles in der Toilette fein säuberlich abzuwaschen.

Doch der Duft blieb beharrlich an mir haften.

Während dem ich die übrigen Gäste durch vorzeitiges Bezahlen und meinem Verschwinden davon erlösen konnte, roch es dann in meinem Auto bald nach 4711.

Zum Glück war schönes Wetter und damit die Möglichkeit, das Schiebedach zu öffnen.

Zuhause angekommen, beschloss ich, die restlichen Duftspuren dem Rhein zu überlassen, und das Ein- und Untertauchen ins Wasser gefiel mir diesmal besonders.

Erfrischt und neutralisiert machte ich es mir anschliessend beim Googlen auf der Gartenschaukel gemütlich und das dort Gelernte möchte ich niemandem vorenthalten:

4711 oder das echte und unverfälschte Kölnisch Wasser erobert die Lüfte seit 1799 und beinahe unverändert bis heute mit seiner Kopfnote aus Bergamotte, Zitrone und Orange, zeigt eine Herznote aus Lavendel und Rosmarin und rundet mit seiner Basisnote aus Neroli ab.

Denn sieben Jahre zuvor erhielt der Kaufmann Wilhelm Mülhens zu seiner Hochzeit die Rezeptur eines Wunderwassers, dem sogenannten „aqua miriabilis“ von einem Kartausermönch geschenkt.

Er vertrieb es zunächst als innerlich anzuwendendes Heilmittel, und noch heute gilt 4711 gemäss den Herstellern als „Aroma-Therapeutikum“, das man immer wieder tief einatmen soll, damit die ätherischen Öle auch wirken können.

Der Name kommt übrigens von der Hausnummer 4711 an der Kölner Glockengasse.

Dort können die täglich anreisenden Touristenströme ihr eigenes Duftwasser kreieren, nachdem sie am goldenen Brunnen das Original 4711 erleben durften.

Jährlich werden 300 000 Liter davon produziert. Eine solche Menge kann unmöglich nur durch Tröpfchen-Invasion verbreitet werden, denn ganz Europa wäre dabei verduftet. Deshalb vermute ich, es wird heimlich wieder getrunken.

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